Der ãEngel des HerrnÒ
Vachendorf
im Chiemgau, 13. Dezember 1975
Dreimal am Tag, morgens, mittags und abends lŠuten die
Glocken unserer Kirchen zum ãEngel des HerrnÒ. Aber wer achtet denn noch
darauf? Es sind wohl nur noch ganz wenige. Und doch wŠre diese Tagesweihe am
Morgen, Mittag und Abend an den menschgewordenen Sohn Gottes und seine
jungfrŠuliche Mutter Maria so schšn und sinnvoll.
Sehen wir dieses Gebet, seine Geschichte und seine Bedeutung
einmal nŠher an mit dem Ziel, uns wieder mehr fŸr diese sinnvolle Form der
Verbundenheit mit Christus und Maria zu begeistern und andere wieder dafŸr zu
gewinnen. Denn diese kurze Gebetspause am Morgen, Mittag und Abend eines jeden
Tages tŠte uns bei der Hast und Unruhe unserer Zeit – wir leiden ja alle,
wie Erzabt Benedikt Reetz von Beuron einmal gesagt hat, an der gefŠhrlichen
ãAngina temporisÒ – so gut, um uns nicht ganz ans Irdische zu verlieren
und immer wieder neuen Mut und neue Kraft zu schšpfen in der Verworrenheit
unserer Zeit!
Wie der ãEngel des HerrnÒ zum GebetlŠuten am Morgen, Mittag
und Abend gebetet wird, braucht eigentlich nicht eigens erwŠhnt zu werden. Im
leider unvollstŠndig gebliebenen ãLexikon der MarienkundeÒ (I/217) wird der
ãEngel des HerrnÒ (nach seinem lateinischen Anfang ãAngelusÒ genannt) so
definiert: Der ãEngel des HerrnÒ besteht aus drei beim Angelus-LŠuten gebeteten
Ave Maria nach je einem auf die Menschwerdung Gottes bezŸglichen Text, der 1.
Die Engelsbotschaft (Lk 1, 28-35), 2. Die Einwilligung Mariens (Lk 1,38) und 3.
Die Menschwerdung Gottes (Joh 1,14) enthŠlt und so lautet: ãDer Engel des Herrn
brachte Maria die Botschaft – Und sie empfing vom Hl. Geist. Ave Maria
... Maria sprach: Sieh, ich bin die Magd des Herrn – Mir geschehe nach
deinem Wort. Ave Maria ... Und das Wort ist Fleisch geworden – Und hat
unter uns gewohnt. Ave Maria...Ò Dazu gehšrt noch im offiziellen, kirchlichen
Wortlaut der erst spŠter hinzugefŸgte Versikel: ãBitte fŸr uns, heilige
GottesgebŠrerin – Auf dass wir wŸrdig werden der Verhei§ungen Christi!Ò
Darauf folgt noch das Gebet: ãWir bitten dich, o Herr, gie§e diene Gnade in
unsere Herzen ein. Durch die Botschaft des Engels haben wir die Menschwerdung
Christi, deines Sohnes, erkannt; fŸhre uns durch sein Leiden und Kreuz zur
Herrlichkeit der Auferstehung. Durch Christus unseren Herrn.Ò
Dieser genaue Gebetstext ist das letzte in der Entwicklung,
die der ãEngel des HerrnÒ durchgemacht hat. Am Anfang steht einfach –
ohne fixen Text – das GebetlŠuten mit der Aufforderung, der Menschwerdung
Gottes aus der Jungfrau Maria dankbar zu gedenken. Und zwar begann die
Geschichte des "Engels des HerrnÒ 1. Mit dem gebetlŠuten am Abend. Erst
spŠter folgte 2. Das GebetlŠuten am Morgen, schlie§lich auch noch 3. Das zu
Mittag.
Schauen wir uns diese Entwicklungsgeschichte des ãEngel des
HerrnÒ etwas nŠher an:
Im 13. Jahrhundert
scheint dieser klšsterliche Brauch auch bei den Laien Eingang gefunden zu
haben, gefšrdert vor allem durch die Sšhne des Hl. Franziskus. Der heilige
Generalobere des Franziskanerordens und Kirchenlehrer Bonaventura schrieb auf
dem Ordenskapitel zu Pisa im Jahre 1263 vor, dass ãdie BrŸder in ihren
Predigten das Volk anleiten sollten, beim LŠuten der Glocken zur Stunde der
Komplet mehrmals die seligste Jungfrau zu gr٤en, da dies nach der Meinung
einiger erlauchter Gottesgelehrter gerade die Stunde sei, da sie vom Engel
gegrŸ§t wurdeÒ. So ist dieser abendliche Gru§ an Maria zur Stunde der
VerkŸndigung zwischen DŠmmern und Dunkeln im Anschluss an die Komplet der
Priester und Ordensleute zur Komplet, zum Abendgebet des glŠubigen Volkes
geworden. – Dieses abendliche GebetlŠuten finden wir im ausgehenden 13.
Jahrhundert bereits in mehreren LŠndern bezeugt.
Am 4. Oktober 1318
hat Papst Johannes XXII. In einem Brief die schon weit verbreitete fromme †bung
des ãAngelusÒ ausdrŸcklich gelobt, 1327 hat er diese †bung dann auch in Rom, wo
sie bis dahin unbekannt gewesen war, eingefŸhrt.
Mitte des 15.
Jahrhunderts war dann der abendliche ãAngelusÒ schon in ganz Europa allgemein
Brauch, ja sogar strenge Vorschrift. Ein Erlass des Kšnigs Ludwig XI. von
Frankreich vom 1. Mai 1474
forderte: ãAlle Franzosen, Vornehme wie Gemeine, sollen sich beim Schlag der
Glocke niederknien, andŠchtig das Kreuz machen und zu Unserer Lieben Frau um
den Frieden betenÒ. – Hier hšren wird, wie das abendliche GebetlŠuten
nicht blo§ zum dankbaren Gedenken an die Menschwerdung Gottes aus Maria der
Jungfrau aufrief, sondern auch zum Gebet um den Frieden. Am Abend sollte es
ruhig werden in einem Haus, in
einer Stadt. Feierabend sollte gemacht werden, das Tagewerk sollte beendet sein
und friede sollte einkehren bei den Menschen, bei den Eheleuten, in den
Familien. Und dieses Wort vom Frieden (im Sinn des Hl. Augustinus ãPax est
tranquillitas ordinis – Friede ist Ruhe in der OrdnungÒ) verstand man
dabei dann auch im weiten Sinn und so betete man um Frieden in der Welt, um
Frieden zwischen den Všlkern und Staaten, um Frieden all dort, wo er durch
Feinde bedroht war. Alte deutsche Glockeninschriften weisen bereits im 14., 15.
Jahrhundert auf diese Gebetsintention des abendlichen ãAngelusÒ und des
dazugehšrigen GebetlŠutens hin: ãO Rex gloriae, veni cum pace (O Kšnig der
Herrlichkeit, komm mit deinem Frieden!) oder ãAve Maria, gratia pena, impetra
nobil pacem!Ò (Sei gegrŸ§t Maria, Gnadenvolle, erbitte uns den Frieden!)
– Vergessen wir hier nicht, dass ja die VerkŸndigungsstunde von Nazareth
die gro§e ãSternstunde des FriedensÒ fŸr die ganze Menschheit war, die Stunde
der EmpfŠngnis des FriedensfŸrsten, der die sŸndige Menschheit mit dem
erzŸrnten, beleidigten Gott versšhnt und zwischen beiden wieder Frieden
gestiftet hat! ãFriede sei ihr erstÔ GelŠute!Ò Dieser Wunsch Friedrich Schillers
in seinem ãLied von der GlockeÒ hat im abendlichen GebetlŠuten um den Frieden
seinen Ursprung.
(Das Šlteste
Zeugnis fŸr dieses Angelus-LŠuten am Morgen haben wir in einer Vorschrift des
Abtes Thomas I. von Monte Cassino (1285 – 1288), der bestimmte, dass der
Sakristan die Glocken lŠuten solle zum Ave Maria am Morgen wie am Abend. In der Chronik von Parma von 1317
begegnet uns ebenfalls der ãAngelusÒ am Morgen in der Form eines dreimaligen
Glockenzeichens zum Beten des Ave Maria zu Ehren der seligsten Jungfrau Maria
und um Erhaltung und Bewahrung des Friedens. 1322 finden wir dieses GebetlŠuten
am Morgen auch in Spanien bezeugt, 1368 in Frankreich (auf der Synode von
Lavour in der Provinz Toulouse), 1399 in England. Von da an schrieben auch
viele deutsche Dišzesen neben dem GebetlŠuten am Abend ein solches auch am
Morgen vor, z.T. auch mit Gebet um den Frieden (z.B. in Breslau 1416, in Kšln
und Mainz 1423).)
Wie sinnvoll ist
doch dieser Gru§ an Maria und ihren gšttlichen Sohn am Morgen, am Beginn eines
neuen Tages, gar wenn man sich dabei im Sinn des marianischen Bekenntnisses
ãSiehe, ich bin eine Magd, ein Knecht des Herrn, mir geschehe...Ò zur restlosen
Bereitschaft bekennt, tagsŸber in allem, in Freud und Leid, bei Opfer, MŸhsal,
Arbeit und PflichterfŸllung dem Willen Gottes zu entsprechen und das ganze
Tagewerk als Gottesdienst, zur grš§eren Ehre Gottes aufzufassen.
Papst Pius XII. hat
in seinem Apostolischen Schreiben ãDum maerenti animoÒ vom 29. Juni 1956 an das
500-Jahr-JubilŠum des mittŠglichen GebetlŠutens erinnert und hat damals die
GlŠubigen der ganzen Weltkirche dringend aufgefordert, beim ãEngel des HerrnÒ
zu Mittag vor allem an die Kirche des Schweigens hinter dem Eisernen Vorhang im
kommunistisch gewordenen Osten zu denken, um nach dem Beispiel unserer
glŠubigen vorfahren von Gott auf die FŸrsprache Mariens Hilfe zu erflehen gegen
die Bedrohung des Abendlandes durch den gottlosen Kommunismus. Der ãEngel des
HerrnÒ vor allem in der Mittagszeit solle – so wŸnschte es damals der
gro§e Marienpapst – das mŠchtige Friedensgebet der ganzen Christenheit,
der vereinte Gebetssturm fŸr die verfolgen und gemarterten Glieder des
mystischen Leibes sein. Wie aktuell wŠre doch diese pŠpstliche Mahnung von 1956
auch heute noch und heute wieder, wo der Angriff des gottlosen Kommunismus
ideologisch und militŠrisch immer bedrohlicher wird. Der ãEngel des HerrnÒ in
der Mittagsstunde war einst das gro§e Sturmgebet des vom Halbmond bedrohten
Abendlandes und ohne dieses Gebet und ohne den Geist, der damals durch dieses
Gebet wachgerufen worden ist, wŠre damals Mitteleuropa zu einer Kolonie Asiens
geworden. Ob es nicht auch in unserer Zeit so sein kšnnte, dass durch das Gebet
des ãEngels des HerrnÒ beim GlockenlŠuten jener wahrhaft
abendlŠndisch-christliche Geist wieder wachgeweckt wird, den es braucht, um den
gottlosen Kommunismus und Materialismus aus dem Osten standhalten zu kšnnen?
Auch Papst Paul VI.
hat in seinem Apostolischen Schreiben ãMarialis cultusÒ vom 2. Februar 1974 mit
vielsagenden Worten an die Bedeutung und an den Inhalt des
ãEngel-des-Herrn-GebetesÒ erinnert. Aber wer beherzigt denn schon solche
Papstworte, wo man es sich heute weithin fast zur Gewohnheit gemacht hat, den
Papst und seine lehramtlichen €u§erungen in Enzykliken, Mahnschreiben und
Ansprachen lŠcherlich zu machen und zu verspotten?
Aber nicht blo§ auf
die eifrige fromme †bung dieser Gebetsform des ãAngelusÒ kŠme es an, sondern
vor allem auf das Meditieren und Beherzigen des dabei verwendeten vielsagenden
Gebetstextes. Denn der Wortlaut des ãEngels des HerrnÒ ist wie ein Compendiium
wie eine sehr prŠzise und genaue Kurzfassung der christlichen Glaubenslehre; er
ist eine ganz knappe Volksbibel, ein Kurzkatechismus, in welchem uns berichtet
wird, wie das Ewige Wort Gottes, der wesensgleiche Sohn des himmlischen Vaters,
zu unserer Erlšsung auf unsere Erde herabkam und welche Antwort ihm bei seiner
Anfrage nach der Mitwirkung der Menschheit im Erlšsungswerk durch die
Vertreterin der ganzen Menschheit, durch die seligste Jungfrau Maria, zu Teil
wurde. Gott hat die sŸndig gewordene Menschheit nach ihrem schweren Fall nicht aufgegeben,
er hat sich ihrer erbarmt: ã Gott der Vater lie§ sich rŸhren, dass Er uns zu
retten sann; und den Ratschluss auszufŸhren, trug der Sohn sich freudig an...Ò
der Sohn Gottes selbst wollte einer aus unserem Menschengeschlecht werden, um
fŸr uns sŸhnen, leiden und sterben z u kšnnen. Er wollte aber Mensch werden aus
einer Jungfrau. Diese aber sollte freiwillig dazu einstimmen. Sie tat es in so
vorbildlicher Weise, mit so ergreifender Demut und mit so gro§mŸtiger
Bereitschaft fŸr den Willen Gottes, dass uns allen eigentlich gar nichts
anderes Ÿbrigbleibt, als ihr nachzusprechen, was sie gesagt hat: ãSiehe, ich
bin die Magd des Herrn! Mir geschehe nach deinem Wort!Ò
Es lohnt sich aber,
meditierend auf den ganzen Dialog einzugehen, der sich zwischen dem von Gott
gesandten Engel Gabriel und der Jungfrau Maria abgespielt hat. Denn ein
wichtigerer Dialog ist wohl kaum je in der Geschichte der Menschheit gefŸhrt
worden.
Der Dialog begann
mit dem Gru§, mit dem Gru§ des Engels Gabriel: ãAve Maria!Ò Der Engel hatte vom
unendlich gro§en, dreimal heiligen Gott den Auftrag bekommen, Maria zu
befragen, ob sie einwillige, Mutter des Sohnes Gottes zu werden. Heilighoher
Auftrag war da dem Engel Gabriel zuteil geworden. Und ein Auftrag Gottes ist
fŸr die Engel – wir sind ja alle so unmodern und glauben noch an ihre
wahre, hšchst reale, personale Existenz – ein Auftrag Gottes ist –
wie gesagt – fŸr einen Engel immer heiliger Befehl.
(Aber Befehle kann
man – wir wissen das selber zu gut – so oder so ausfŸhren;
mŸrrisch, unfreundlich, gleichgŸltig, teilnahmslos – oder aber froh
bewegt, voll eigener, innerer Anteilnahme ...
Der Engel Gabriel
gehorchte und fŸhrte Gottes Auftrag aus. Er hŠtte sich dabei denken kšnnen:
ãBefehl ist Befehl, ja, aber verstehen kann ich hier Gott schon gar nicht, dass
er in seinem Sohn Mensch werden will, dass er sich so tief herablassen will ...
Das ist auch fŸr einen Engel unbegreiflich! Gewiss, ich werde den Auftrag
Gottes ausfŸhren und gehorchen, aber wie kann ich dabei Freude haben? Ich werde
also die Nachricht Ÿberbringen. Aber dass ich etwa jenes MŠdchen, zu dem mich
Gott sendet und das er in unbegreiflicher Gnadenwahl ausersehen hat, Mutter
seines Sohnes zu werden, grŸ§e, wenn ich ihr die Nachricht Ÿberringe, nein, das
steigt mir schon gar nicht herauf: dieses arme, einfache, ja einfŠltige,
weltfremde MŠdchen in diesem unbekannten, schmutzigen BergstŠdtchen Nazareth,
in einem Arbeiterviertel in einer hšchst bescheidenen Arbeiterwohnung soll ich,
ein Engel Gottes, einer der erhabensten reinen Geister, gr٤en? Ich bin ihr
doch unsagbar weit Ÿberlegen an WŸrde, an Rang und stand, an Intelligenz,
Charakter und Heiligkeit! Nein, der Engel Gabriel hat sicher nicht so gedacht,
wie wir es vielleicht getan hŠtten, wo in fast allen von uns ein unausrottbarer
klassenkŠmpferischer †berlegenheitsdŸnkel jenen Menschen gegenŸber steckt, von
denen wir annehmen, dass sie weniger sind als wir.
Der Gabriel
erkannte mit der VerstandesschŠrfe und Erkenntnisklarheit, wie sie einem Engel,
einem reinen, in der Gnade und Liebe Gottes und in der beseligenden Gottesschau
lebenden Geist eigen ist: ã wenn Gott ein Menschenkind zu solcher wŸrde
auserwŠhlt, Mutter seines Sohnes zu werden, dann muss dieses Menschenkind von
der Huld und Gnade Gottes so Ÿbervoll sein, dass ihm ergreifende
Seelenschšnheit eigen ist. Gewiss, ein schlichtes, einfaches Menschenkind ist
diese Jungfrau Maria, zu der ich gesandt werde, aber die Gnade, d ie sie vom ersten Augenblick ihres Daseins an besitzt, ist
so ŸberwŠltigend gro§, dass davor alle anderen Wertma§stŠbe fŸr die Beurteilung
von Wert und WŸrde eines Menschen ihre Richtigkeit und Wichtigkeit verlieren.
Und die Berufung zur jungfrŠulichen GottesmutterwŸrde stellt dieses MŠdchen auf
so hohe Rangstufe auf der Stufenleiter der Geschšpfe Gottes, dass sie dadurch
auch Ÿber uns Engel zu stehen kommt und eigentlich unsere Kšnigin ist!Ò
Darum mag der
Entschluss des Engels Gabriel sofort festgestanden haben: ãIch will Maria so
herzlich, so froh, so freundlich und freudig, und so ehrfurchtvoll gr٤en, wie
es sich fŸr dieses schšnste und reinste und zu Hšchstem auserwŠhlte
Menschenkind geziemt.Ò Und) wie der Engel Gabriel nun vor Maria stand, sie
umstrahlend mit Ÿberirdischem Licht, da erklang nun jener Engelsgru§, der von
da an nicht mehr verstummen sollte und nach einem Wort von Alban Stolz zum
ãunendlichen Gru§Ò geworden ist: ãAve Maria, gratia plena...Ò ãSei gegrŸ§t,
Gnadenvolle, der Herr ist mir dir, du bist geb...Ò Nach diesem Gru§, der so
inhaltsreich und tief war, dass ihm die VerstandesschŠrfe aller Exegeten und
Theologen von 1900 Jahren noch nicht ausschšpfen konnte und die fromme
Betrachtung darŸber noch immer nicht an ein Ende gekommen ist und weiterwirken
wird, auch wenn noch so viele verwirrte und verfŸhrte Menschen diesen Gru§ in
gotteslŠsterischer Weise verspotten und verdrehen und lŠcherlich machen, nach
diesem einmalig schšnen Gru§ setzte dann jener Dialog ein, den wir alle kennen:
Der Engel richtete die Botschaft Gottes aus: ãFŸrchte dich nicht, Maria! Denn
du hast Gnade gefunden bei Gott. Siehe, du sollst empfangen und einen Sohn
gebŠren. Dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird gro§ sein und Sohn des
Allerhšchsten genannt werden.... Da sprach Maria: ãWie soll dies geschehen, da
ich keinen Mann erkenne?Ò ãEinen Mann erkennenÒ war damals der gelŠufige
Ausdruck fŸr die eheliche, geschlechtliche Liebeshingabe einer Frau an den
Mann. Wenn Maria nun sagte, dass sie keinen Mann fŸr die eheliche,
geschlechtliche Liebeshingabe erkenne, so stand dahinter ihre Bereitschaft,
trotz ihrer brŠutlichen Verbundenheit mit Joseph jungfrŠulich zu bleiben. Es
ist dabei unwichtig, ob man diesen Entschluss Marias mit dem Hl. Augustinus und
vielen spŠteren Theologen als ein fšrmliches GelŸbde der JungfrŠulichkeit
versteht oder als blo§en Vorsatz dazu. Die Verwunderung, die aus der Antwort
Marias auf das Angebot des Engels Gabriel spricht, setzt jedenfalls voraus,
dass dieser Entschluss Marias nicht erst in jenem Augenblick gefasst worden
war, sondern bereits vorher feststand.
Die Frage Marias,
wie dies – dass sie nŠmlich Mutter des Messias werden soll –
geschehen kann, ãda sie keinen Mann erkenntÒ, war dabei sicher nicht Ausdruck
des Unglaubens, sondern nur Ausdruck der Besorgtheit um ihre JungfrŠulichkeit:
Sie sah einfach im natŸrlichen Bereich keinen Weg, die vorgenommene
JungfrŠulichkeit mit der ihr angebotenen Mutterschaft zu vereinbaren. Sie will
Gott gehšren, und zwar ganz und fŸr immer – im jungfrŠulichen Stand. Und
wenn dies nicht mšglich sein sollte, wŸrde sie sogar auf hšchste WŸrde und
Ehre, auf ehrenvollste ErwŠhlung zu hšchster Mutterschaft, verzichten. Reinheit
und JungfrŠulichkeit gingen Maria Ÿber alles. Ist das nicht vielsagend?
In unserer Zeit mit
ihrer beschŠmenden Sexsucht, in der die Reinheit, die JungfrŠulichkeit, nichts
mehr zu bedeuten scheint, leichtfertig weggeworfen, lŠcherlich gemacht und
verspottet wird in gemeinen Zoten, in Sex-Illustrierten, in Pornozeitschriften
und Sexreportfilmen und in einer Zeit, in der durch eine total verfehlte
SexaufklŠrung die Liebe zur Reinheit und sittlichen Sauberkeit schon im kleinen
Schulkind untergraben wird, da mag das Wort Marias, das sie im Dialog mit dem
Engel Gabriel sprach, zwar vielen hšchst unzeitgemŠ§ vorkommen, zumal auch
manche Theologen und Exegeten eine rationalistische, entsakralisierende Interpretation
dieses Wortes Marias vertreten, und doch ist dieses marianische Wort der Sorge
um Reinheit und JungfrŠulichkeit eine Ÿberaus aktuelle Botschaft an alle noch
glŠubigen Menschen. Voran an jene Jugend, die noch fŸr Ideale aufgeschlossen
ist und noch nicht allen Idealismus in triebhafter Sexgier, in List und Sucht
erstickt hat. Marias Botschaft in ihrem 1. Wort lautet fŸr die Jugend: Erst die Reinheit und
alles andere nur, soweit es vereinbar ist mit Reinheit und sittlicher
Sauberkeit! Das war jedenfalls die Seelenhaltung Marias! Das sollte die Haltung
wahrhaft katholischer junger Menschen sein. Aber wo ist denn heute die kath.
Jugend, die ein solches Wort Maria nachsieht, ehrlich, Ÿberzeugt, energisch,
tapfer: Reinheit zuerst und in allem und alles andere, Freude, Fršhlichkeit,
Geselligkeit, Unterhaltung, VergnŸgen, Bekanntschaft, Liebe, alles das nur und
so weit, als es die Reinheit des Herzens, die innere Sauberkeit und
Sittlichkeit nicht gefŠhrdet!! Wo sind heute die kath. JugendfŸhrer und Jugendseelsorger,
die noch an das Ideal der Reinheit und der gottgeweihten JungfrŠulichkeit zu
erinnern wagen, fŸr das durch die Jahrhunderte der Kirchengeschichte –
angefangen von den Hl. Jungfrauen und MŠrtyrinnen Agatha, Luzia, Agnes,
Caecilia bis hin zur Hl. Maria Goretti, die Papst Pius XII. vor 25 Jahren
heiliggesprochen hat, sogar das Martyrium erlitten wurde?
Auf Marias Frage:
ãWie soll dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne?Ò gab ihr der Engel
Gabriel die erbetene Antwort. Sie war klar und eindeutig: Bei Gott ist kein
Ding unmšglich und alles, was bei der Menschwerdung des Sohnes Gottes geschehen
soll, wird gewirkt von der Allmacht und Weisheit Gottes: ãHl. Geist wird Ÿber dich,
Maria, kommen, und die Kraft des Allerhšchsten wird dich Ÿberschatten!Ò Deine
Reinheit und JungfrŠulichkeit soll dabei nicht angetastet werden, das Wunder
der Menschwerdung des Sohnes Gottes soll geschehen durch †berschattung des Hl.
Geistes: Du Maria, sollst Mutter werden und Jungfrau bleiben, einzige Jungfrau
unter allen MŸttern, einzige Mutter unter allen Jungfrauen!
Da sprach Maria in
diesem denkwŸrdigen Dialog, an den wir uns im Gebet des ãEngels des HerrnÒ
immer wieder erinnern, ihr zweites Wort: ãSiehe, ich bin die Magd des Herrn.
mir geschehe nach deinem Wort!Ò
Dieses Wort Marias
in ihrem Dialog mit dem Engel Gabriel ist gro§, nicht blo§ deshalb, weil
dadurch das grš§te Ereignis der Heilsgeschichte, die Menschwerdung Gottes,
ermšglicht wurde und sich ein Vergleich zwischen dem ãfiatÒ (es geschehe)
Marias und dem ãFiatÒ (es geschehe, es werde!) des Schšpfergottes vor dem
Schšpfungswerk (vgl. Gen 1,3 ff) nahelegt, sondern auch deshalb, weil dieses
Wort Marias heilige Bereitschaft Gott gegenŸber kundtut: ãFiat mihi!Ò (Mir
geschehe, mit mir geschehe, was du gesagt hast!). Zu allem, ausnahmslos zu
allem, was Gott von Maria verlangt, spricht sie hier ihr bereites Ja: Nicht nur
zur GottesmutterwŸrde, auch zur SchmerzensmutterbŸrde! Magd will sie Gott
gegenŸber sein in Demut, in Dienmut, in Dienstbereitschaft gleich dem Messias,
der als leidender, sŸhnender, selbstlos dienender Knecht Gottes angekŸndigt
worden war (vgl. Is 53, 1 – 12). Gott dienen, ja, das sollte Marias ganze
Lebensaufgabe sein; ob das nun fŸr frohe oder fŸr schwere Stunden galt, ob Gott
sie fŸr Gro§es oder fŸr unbedeutend kleine Aufgaben in Anspruch nahm als seine
Magd; sie wollte ganz fŸr Gott da sein: ãSiehe, ich bin die Magd des Herrn!Ò
Ist das nicht
wieder ein hšchst bedeutsames, lehrreiches und zeitgemŠ§es Wort? UnzeitgemŠ§
freilich fŸr die vielen, die Gott zu einer armseligen Randerscheinung ihres
Lebens degradiert haben und nur noch an das Verdienen, nicht mehr an das Dienen
denken, nur noch auf den eigenen Vorteil sinnen und in erbŠrmlicher Selbstsucht
und VergnŸgungssucht der Pflicht und dem Dienst nach Mšglichkeit aus dem Wege
gehen.
Wie gro§ ist doch
heute die Zahl derer – leider auch unter getauften Christen – die
den Dienst Gottes, angefangen von der PflichterfŸllung bis zum Gottesdienst im
engeren Sinn in der Sonntagspflicht, als nebensŠchlich, als unwichtig oder auch
nur als zweitrangig betrachten! Wie klein und erbŠrmlich denken doch viele
Menschen von Gott, dass sie ihn so behandeln und den Dienst den sie ihm
schulden, so bagatellisieren?! Ganz anders dachte Maria. Die demŸtige Magd des
Herrn mšge den Menschen unserer Zeit, voran jenen, die sich durch die
Priesterweihe oder die OrdensgelŸbde oder gar durch beides dazu verpflichtet
wissen, Gott in Treue und Ganzhingabe dienen zu mŸssen, die rechte
Dienstbereitschaft und noch mehr Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein
verschaffen in dem, was sie Gott und Ÿber Gott den Mitmenschen schuldig sind.
Wir alle mŸssen von der demŸtigen Magd des Herrn lernen, Knechte und MŠgde
Gottes zu sein, wenn Er und ruft, wenn Er unsere Dienste fšrdert, wenn Er
unseren Gehorsam seinem heiligen Willen und Gebet und der Berufung gegenŸber
fordert und verlangt!
Nachdem Maria ihre
Bereitschaft erklŠrt hatte, Magd des Herrn zu sein, vollzog sich das Wunder
aller Wunder, die Menschwerdung Gottes im jungfrŠulichen Schoss Mariens! Der
Engel aber mag sich tief verbeugt und als erster den menschgewordenen Sohn
Gottes angebetet haben: ãUnd das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns
gewohnt!Ò
Die Erlšsung der
Menschheit nahm ihren Anfang...
Dreimal am Tag
erinnert uns die Glocke an dieses Geheimnis gšttlicher Allmacht und Liebe und
an die demŸtige Bereitschaft und Opfergesinnung des reinsten und edelsten
Menschen.
Dieses dreimalige
Bekenntnis zur Menschwerdung Gottes aus Maria der Jungfrau am Morgen, Mittag
und Abend eines jeden Tages kšnnte, tŠglich erneuert, in uns allen in dieser
verworrenen, materialistischen Zeit den Sinn fŸr Gott, fŸr das Heilsgeheimnis
Gottes, das Er in seiner GŸte und Liebe durch Christus und Maria gewirkt hat,
immer neu wecken und stŠrken und kšnnte uns so in der gegenwŠrtigen
Glaubenskrise im wahren, unverfŠlschten Glauben bestŠrken.
†berdies kšnnte
dieser tŠgliche dreimalige ãAngelusÒ in jeder Seele, in jeder christlichen
Familie und Gemeinschaft ein Klima schaffen, in welchem das wŠchst, was Maria
so herrlich bekannt und verwirklicht hat: die Dienstbereitschaft Gott und den
Mitmenschen gegenŸber, die demŸtige Ergebung in den Willen Gottes in Freud und
Leid und die Anbetung des menschgewordenen ewigen Wortes Gottes. Und immer
wieder wŸrden wir am Morgen, Mittag und Abend durch den ãAngelusÒ an den
allerwichtigsten Dialog erinnert, an den Dialog mit Gott im Gebet und an den
Dialog des edelsten Menschen mit einem Engel: Der Dialog der ersten Frau und
Stammmutter der Menschheit, Eva, mit dem gefallenen Engel Luzifer hat zum
Unheil und Verderben gefŸhrt; der Dialog der edelsten Frau und Stammmutter der
erlšsten Menschheit, Maria, mit dem Engel Gabriel sollte Heil und Erlšsung
bringen fŸr alle Menschen, die demŸtig glauben an den SŸhne- und Erlšsertod
Jesu Christi, des Sohnes Gottes und Mariens!
Dieses schlichte,
vertrauensvolle Gebet des ãAngelusÒ am Morgen, Mittag und Abend kšnnte sich vor
allem in den Familien ungemein segensreich auswirken, denn eine Familie, die
noch gemeinsam betet, und wŠre es morgens, mittags und abends nur der ãEngel
des HerrnÒ – sie hŠlt auch zusammen und bricht nicht so leicht
auseinander. Denn wie kšnnte man sich so oft im Geiste die liebwerte Gestalt
der jungfrŠulichen Gottesmutter und ihr leuchtendes Beispiel lebendig vor Augen
stellen, ohne zu ihrer Nachahmung bewegt zu werden?!
Tragen wir doch
durch unser Beispiel und unser Wort dazu bei, dass der ãEngel des HerrnÒ wieder
gebetet wird, und zwar nicht zur im stillen KŠmmerlein und in der Kirche,
sondern auch in der …ffentlichkeit! Kenner der Geschichte der Volksfršmmigkeit
melden uns: Es gab in frŸheren Zeiten, teilweise sogar bis herauf in die
Zwanziger- und Drei§igerjahre unseres Jahrhunderts in den Dšrfern und MŠrkten,
teilweise auch noch in den KleinstŠdten niemanden, der nicht beim Ertšnen der
Glocken zum ãEngel des HerrnÒ an Ort und Stelle begann, den ãEngel des HerrnÒ
zu beten.
Es ist anders
geworden. M an ist feige geworden. Man betet noch – wenn es hochgeht
– in der Kirche und im stillen KŠmmerlein, aber die Stra§e, die …ffentlichkeit
kennt nicht mehr das Gebet. Das ehemals christliche Abendland hat immer mehr
ein sŠkularisiertes, ein entsakralisiertes, ein entchristlichtes, ein
atheistisches Antlitz bekommen und ist zur Welt ohne Gott geworden. Die Glocken
lŠuten zwar noch am Morgen, Mittag und Abend und mittags kann man sie teilweise
sogar im Radio hšren. Aber sie finden weithin kein Echo mehr im Gebet.
Ein Missionsbischof
aus dem Fernen Osten erzŠhlte, wie seine Neuchristen Ÿberall, im Zug oder auf
dem Marktplatz, auch mitten in ganz heidnischer Umgebung, mittags um 12 Uhr
niederknien und den ãEngel des HerrnÒ beten. Und die Heiden im Fernen Osten
finden das in Ordnung. Konsequent vorgelebtes Christentum imponiert den Heiden.
Der wieder mutig vor aller Welt gebetete ãEngel des HerrnÒ, dieses Bekenntnis einer
erneuerten Christenheit, sollte unsere Losung werden. So meinte vor einigen
Jahren der gro§e Schweizer Priester-Publizist Robert MŠder. Ob wir uns das
nicht zu Eigen machen sollten? In 25 StŠdten der Bundesrepublik und in …sterreich
ist das mutige Beispiel der MŸnchener Katholiken, die jeden Samstagabend vor
der MariensŠule in der Stadtmitte MŸnchens laut den Rosenkranz beten,
nachgeahmt worden. Ob wir nicht in unseren Dšrfern und MŠrkten wenigstens damit
wieder anfangen sollen, beim LŠuten der Gebetsglocke den ãEngel des HerrnÒ zu
beten, auch in der …ffentlichkeit, allein und gemeinsam: stehen bleiben, den
Hut abnehmen, den Mut aufbringen und beten!
Vor einigen Jahren
habe ich mit einigen Kollegen auf der Fahrt zum GrŸnder der Legio MariŠ, Frank
Duff, etwas Schšnes erlebt: Wir fuhren mittags im O-Bus durch die Hauptstadt
Dublin. Was geschah? Als die Glocken zu lŠuten begannen, nahmen die mŠnnlichen
O-Bus FahrgŠste samt dem O-Bus Chauffeur den Hut bzw. die MŸtze ab und alle im
O-Bus wurden still: betende Menschen in der Hast einer europŠischen Gro§stadt!
Etwas von dieser
katholischen Haltung des tapferen katholischen Volkes der Iren sollte auch in
uns wieder lebendig werden, nicht zuletzt durch unser persšnliches BemŸhen, den
Morgen, den Mittag, den Abend eines jeden Tages dem Gebet zu weihen im Gedenken
an das Geheimnis der Menschwerdung Gottes aus Maria der Jungfrau, der Kšnigin
des Friedens und der Mutter der Kirche!